1. Mehr als nur Trophäen
Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Trubel der Internorga, überall neue Ideen, neue Gesichter – und auf der Bühne jubeln die Gewinner des Deutschen Gastro-Gründerpreises (DGGP). Für viele ist das eine nette Randnotiz. Doch wer genauer hinschaut, erkennt: Diese Wettbewerbe sind echte Seismographen.
Seit zehn Jahren prämiert der DGGP junge Konzepte, die häufig schon zwei bis drei Jahre später im Mainstream landen. Und damit zeigt er zuverlässig, wohin sich die Branche bewegt. Es geht längst nicht mehr nur um gutes Essen, sondern um Skalierbarkeit, Digitalisierung, Erlebniswert und klare Zielgruppen. Ein Jurymitglied bringt es auf den Punkt: „Es reicht heute nicht mehr, nur gut zu kochen. Das Konzept muss auf Social Media funktionieren und ein klares Erlebnis bieten.“
Für etablierte Gastronominnen und Gastronomen lohnt der Blick auf die Bühne also doppelt: Wettbewerbe zeigen, wie sich die Bedürfnisse der Gäste verändern – und welche Ideen Antworten auf Personalmangel, Kostendruck und digitale Erwartungen liefern.
2. Der Sieger 2025: Taco Craze – Gamification trifft Street Food
Die diesjährigen Sieger des Gastro-Gründerpreises heißen Taco Craze – ein Duo aus Düsseldorf, das mexikanisches Street Food mit spielerischen Elementen kombiniert. Und zwar so konsequent, dass man sich fragt, warum nicht längst jemand vorher darauf gekommen ist.
Das Konzept funktioniert wie eine Mischung aus Taco-Bar, Eventfläche und Minispielhalle:
• Messy Sunday – eine wöchentliche Aktion, bei der das Essen mit den Händen ausdrücklich erwünscht ist.
• Spiele während der Wartezeit – etwa ein Glücksrad („Loco Wheel“) oder ein „Flappy Bird Taco Style“-Game.
• Gewinne – Gratis-Essen, Gutscheine oder digitale Goodies, die Gäste emotional binden.
Die Gründer Niclas Janus und Quency de Leon Roa sagen im Siegerinterview: „Wir waren in den vergangenen Jahren regelmäßig beim Finale und haben von der Selbständigkeit geträumt – dass wir jetzt selbst gewonnen haben, ist einfach großartig!“
Was dahinter steckt, ist mehr als Spielerei: Gamification ist ein Trend aus der Digitalwelt, der längst in der Gastronomie angekommen ist. Gäste – allen voran Gen Z – wollen das Gefühl, Teil eines Erlebnisses zu sein. Und sie teilen es gern auf Social Media. Ein Konzept wie Taco Craze liefert genau das: fotogen, leicht verständlich, sofort erlebbar.
Für klassische Restaurants stellt sich die Frage: Braucht es jetzt überall Spiele? Nicht unbedingt. Aber Elemente, die den Aufenthalt kurzweiliger machen, digitale Touchpoints aufwerten oder Wartezeiten angenehm gestalten, werden wichtiger. Eine kleine Aktion, ein interaktives Element oder ein cleveres Loyalitätsprogramm – schon das kann der Unterschied sein.
3. Nische statt Bauchladen: Wenn ein Produkt zum Star wird
Die weiteren Finalisten zeigen noch einen zweiten großen Trend: Konzentration auf ein „Hero-Produkt“. Statt einer langen Karte setzen die Konzepte auf absolute Spezialisierung – und triumphieren damit über den klassischen Bauchladen.
Beispiel GnocchUout aus Sauerlach: ein Food Truck, der ausschließlich Gnocchi verkauft, dafür aber in einer Qualität, die man sonst eher aus der Sterneküche kennt. Gründer Tobias Bacher, selbst erfahrener Sternekoch, schafft damit bis zu 120 Portionen pro Stunde. Hohe Effizienz, reduzierte Komplexität, klares Profil.
Oder Mezzaluna aus Hamburg: Pizza-Sandwiches, handlich zusammengefaltet, perfekt für die urbane Mittagspause. Kein Besteck, kein Teller – dafür schnelle Abläufe und ein prägendes Signature-Produkt.
Branchenexperten sehen darin eine direkte Antwort auf die Personalknappheit: weniger Handgriffe, weniger Schulungsaufwand, weniger Wartezeit – und dafür mehr Wiedererkennungswert. Ein Experte formuliert es so: „Etablierte Gastronomen sollten sich bei den Start-ups abschauen, wie man Nischen besetzt, statt zu versuchen, es jedem recht zu machen.“
Für Traditionshäuser heißt das nicht, die Karte radikal zu kürzen. Aber es lohnt sich, zu überlegen: Was ist unser Hero? Welches Gericht, welches Erlebnis steht für uns – und ließe sich noch klarer herausarbeiten?
4. Neue Hybride: Wenn Gastronomie zur Content-Bühne wird
Ein anderer Finalist zeigt, wie weit die Branche sich öffnet: „Son“ aus Hamburg definiert das Restaurant als zweites Zuhause für Content Creators. Das Konzept verbindet gastronomischen Betrieb mit einem professionellen Streaming-Studio. Wer hier isst, kann gleichzeitig streamen, drehen, produzieren – inklusive Technik, Sponsoring-Partnern und Social-Media-Formaten.
Das mag für einige traditionell geführte Betriebe exotisch wirken, doch der Gedanke dahinter ist hochrelevant: Der Restaurantbesuch wird nicht nur dokumentiert, sondern selbst zum Anlass, Content zu produzieren. Die Creator Economy wird zur Zielgruppe – und zur Einnahmequelle.
Ebenfalls im Finale: „Smart Kids“ aus Berlin, ein Family Play Café, das Eltern entspannte Zeit ermöglicht, während Kinder betreut spielen. Monetarisiert wird über Eintritt, Zeitpakete und klassische Gastronomie.
Beide Beispiele zeigen: Gastronomie verschmilzt mit Lebensbereichen, die bisher wenig damit zu tun hatten – Medienproduktion, Kinderbetreuung, Freizeitgestaltung. Für etablierte Betriebe heißt das nicht, sofort Kameras aufzubauen. Aber die Frage drängt sich auf: Welche zusätzlichen Funktionen kann unser Betrieb erfüllen? Und wie schaffen wir Räume, die für unterschiedliche Zielgruppen relevant sind?
5. Nachhaltigkeit & Technik: Was der Internorga Zukunftspreis verrät
Während der Gründerpreis eher die „lauten“ Ideen feiert, fokussiert der Internorga Zukunftspreis auf Skalierbarkeit und nachhaltige Wirkung. 2025 zeigen die Gewinner, wie stark Nachhaltigkeit, Technik und Inklusion die Branche in den kommenden Jahren prägen werden.
Scandic Hotels erhält den Preis in der Kategorie Gastronomie & Hotellerie – mit einem Mix aus 100 Prozent Ökostrom, 60 Prozent Bio-Anteil beim Frühstück und breiter Inklusionsstrategie. Ein starkes Signal: Nachhaltigkeit funktioniert auch in großen Hotelketten, ohne den Betrieb auszubremsen.
In der technischen Kategorie punktet Hobart mit einer KI-gestützten Spülmaschine („Smart Vision Control“). Die Technik unterstützt ungelerntes Personal, senkt den Ressourcenverbrauch und entlastet Abläufe – ein Musterbeispiel dafür, wie smarte Technik dem Fachkräftemangel begegnen kann.
Dritter im Bunde: Verrano, ausgezeichnet für hochwertige Produkte aus regionalen Steckrüben. Das zeigt, wie sehr sich Food Waste, Regionalität und Produktveredelung zu zentralen Faktoren entwickeln.
Matthias Balz, Director der Internorga, sagt dazu: „Die diesjährigen Gewinnerinnen und Gewinner sind wegweisend für eine nachhaltigere Zukunft der Branche.“
Für die Praxis bedeutet das: Wer in Technik und Prozessoptimierung investiert, gewinnt doppelt – effizientere Abläufe und ein klareres Nachhaltigkeitsprofil.
6. Was bringt der Sieg?
Viele Betriebe unterschätzen, wie wertvoll ein Wettbewerbserfolg sein kann – unabhängig vom Preisgeld. Beim DGGP sind es immerhin 10.000 Euro Startkapital, ein Paket aus Sachpreisen (etwa Kassensystemen) und Beratung durch den Leaders Club Deutschland. Dazu kommt mediale Aufmerksamkeit, etwa durch Berichte auf Plattformen wie HOGAPAGE.
Vor allem aber zählt das Netzwerk: Der Zugang zu Investorinnen, Mentorinnen und Branchenprofis, die sonst schwer erreichbar sind. Jury-Mitglieder wie Marc Uebelherr oder Sophia Hoffmann bringen nicht nur Expertise, sondern auch Kontakte.
Für etablierte Betriebe kann allein der Besuch der Pitchrunden spannend sein: Recruiting, Inspiration, Kooperationen – alles in einem Raum.
7. Fazit: Mut zur Lücke, Lust am Erlebnis
Die Gewinner 2025 zeigen eine klare Richtung:
• Erlebnis schlägt Standard.
• Nische schlägt Bauchladen.
• Technik und Nachhaltigkeit sind keine Trends, sondern Notwendigkeit.
• Und: Gastronomie ist mehr als Essen – sie ist Bühne, Treffpunkt, Studio oder Spielplatz.
Wer offen für Neues bleibt, muss sein Konzept nicht komplett umwerfen. Oft reicht es, an einzelnen Stellschrauben zu drehen: ein klareres Profil, ein stärkeres Erlebnis, smartere Technik. Wenn Sie jetzt überlegen, wo Ihre Lücke und Ihr „Hero-Produkt“ liegen – dann sind Sie der Konkurrenz vielleicht schon einen Schritt voraus.
Kurz-Check für Ihren Betrieb
• Welches Produkt oder Erlebnis steht bei Ihnen im Zentrum – und ist das klar genug erkennbar?
• Wo könnten digitale oder spielerische Elemente das Gästeerlebnis verbessern?
• Welche Prozesse ließen sich durch clevere Technik vereinfachen?
• Könnten zusätzliche Funktionen (z. B. Events, Workshops, Creator-Angebote) neue Zielgruppen anziehen?