Samstag, 20. Dezember 2025 GastroNews – Magazin für Profis
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Umsatzbooster Aperitivo: Wie Sie mit italienischer Lässigkeit das Vorabend-Geschäft beleben

Zwischen 17 und 19:30 Uhr herrscht in vielen Betrieben gähnende Leere – Küchencrew und Service sind bereit, aber der Gastraum bleibt still. Der italienische Aperitivo zeigt, wie man genau dieses Zeitfenster in eine goldene Umsatzchance verwandelt. Mit kleinen Häppchen, spritzigen Drinks und einer Portion Dolce Vita lässt sich ein neues Ritual etablieren, das Gäste früher bringt – und länger hält.

1. Mehr als nur ein Drink

Stellen Sie sich vor: Die Sonne sinkt, die Gläser klirren, und auf dem Tisch stehen ein paar Oliven, Taralli und ein leuchtend oranger Spritz. Genau diese Stimmung beschreibt das italienische Ritual des Aperitivo. Es ist kein „Happy Hour“-Wettbewerb um den günstigsten Alkohol, sondern ein kultureller Moment des Übergangs – vom Arbeitstag in den Abend.

Der Begriff kommt von aperire, „öffnen“ – und das ist wörtlich gemeint: Der Aperitivo soll den Magen vorbereiten, nicht füllen. Er ist ein soziales Ereignis, besonders in Städten wie Mailand, Turin oder Venedig, wo er gelebte Alltagskultur ist. Dass dieses Ritual im deutschsprachigen Raum immer beliebter wird, überrascht kaum. Die Sehnsucht nach italienischer Leichtigkeit gilt seit Jahren als Umsatztreiber, wie auch Blogs und Fachbeiträge zum Thema Aperitif und Aperitivo belegen, etwa in der Analyse von Ulrike Schmid über das italienische Ritual (siehe „Aperitivo all’italiana: Das Ritual“).

Ein italienischer Gastronom bringt es auf den Punkt: „In Italien trinkt man nie ohne zu essen. Der Alkohol braucht Gesellschaft.“ Und genau dieses Zusammenspiel aus Drink und Snack macht den Aperitivo so spannend – geschmacklich und wirtschaftlich.

2. Das Zeitfenster: Die Lücke füllen

Viele Restaurants öffnen gegen 17:30 oder 18 Uhr – doch wirklich voll wird es erst ab 19:30 Uhr. Personal steht bereit, aber die Kasse ruht. Diese strukturelle Lücke ist ein branchenbekanntes Phänomen, das auch durch Erhebungen zum Konsumverhalten in der Gastronomie (DEHOGA/Statista) gestützt wird: Die frühen Abendstunden gehören zu den schwächsten Umsatzzeiten.

Genau hier setzt der Aperitivo an. Mit der richtigen Atmosphäre wird der frühe Abend plötzlich attraktiv: etwas lautere Musik, ein paar Stehtische im Barbereich, lockerer Service. Das Konzept spricht After-Work-Gäste an, Kolleginnen und Kollegen auf dem Weg nach Hause, Paare, die sich vor dem Dinner treffen, oder Gruppen, die den Abend langsam starten wollen.

Ein Bar-Chef beschreibt den Effekt so: „Der Aperitivo ist die schönste Art, die Wartezeit auf das Abendessen zu verkürzen – und für den Wirt die beste Methode, die Küche schon vor 19 Uhr auszulasten.“ Viele Gäste bleiben – und bestellen später auch ein richtiges Abendessen. Aus ruhigen zwei Stunden wird ein massiver Hebel für den Pro-Kopf-Umsatz.

3. Die Kulinarik: Stuzzichini und clevere Food-Costs

Wer Aperitivo sagt, meint Drinks – aber ohne Essen geht gar nichts. In Italien ist die Beigabe obligatorisch: Stuzzichini, kleine Appetithäppchen, die Lust auf mehr machen. Das Spannende: Je nach Konzept lässt sich das kulinarische Niveau problemlos an die eigene Betriebsform anpassen.

Variante A: Low-Cost-Klassiker

Diese Basics sind günstig, schnell serviert und in Italien praktisch Standard. Sie eignen sich hervorragend, um den Start unkompliziert zu testen.

Variante B: Kleine Häppchen mit Profil

Mit minimalem Wareneinsatz entsteht mehr Erlebnis – und mehr Appetit.

Variante C: Milano-Style / Apericena

In Mailand beliebt: Ein Drink für 10 bis 15 Euro inklusive Buffet oder Etagere. Funktioniert als „All you can taste“ – Snacks, keine Sattmacher.

Für DACH gilt allerdings Vorsicht: Ein zu großzügiges Buffet droht, das Dinner zu kannibalisieren. Besser kleine, hochwertige Portionen, die Lust auf einen anschließenden Hauptgang machen.

Wirtschaftlich bleiben die Stuzzichini attraktiv. Viele Komponenten basieren auf günstigen Waren wie Mehl, Gemüse oder Resten vom Mittagstisch, die sich hervorragend für Aufstriche, Crostini oder gefülltes Gemüse eignen. Ein Marketing-Experte formuliert es passend: „Stuzzichini sind keine Kostenfalle, sondern ein Marketing-Invest. Die salzigen Snacks machen Durst auf das zweite Glas.“

4. Die Getränke: Bitter, spritzig, alkoholfrei

Der klassische Aperitivo lebt von bitteren und spritzigen Aromen. Aperol Spritz, Campari Spritz oder Negroni Sbagliato gehören zur Grundausstattung; Prosecco oder ein Bellini ergänzen das Set. Immer dabei: leichte Bitterstoffe, die nicht nur geschmacklich prägen, sondern physiologisch den Appetit anregen.

Und auch das Thema Mindful Drinking ist längst beim Aperitivo angekommen. Alkoholfreie Klassiker wie Crodino, Sanbitter oder moderne Produkte wie Martini Floreale erfreuen sich wachsender Beliebtheit – ein Trend, den auch Branchenpublikationen wie Falstaff oder Rolling Pin regelmäßig hervorheben. Das Schöne: Auch alkoholfreie Aperitifs haben hervorragende Margen.

Spritz-Getränke sind generell hochprofitabel. Mit Prosecco vom Fass oder einer eigenen Hausmarke sinken die Wareneinsatzkosten zusätzlich. Gleichzeitig wirken sie leicht und animierend – perfekte Voraussetzungen für eine zweite Runde.

5. Best Practice & Umsetzung im DACH-Raum

Wie überträgt man das italienische Konzept auf hiesige Gewohnheiten, ohne den Charme zu verlieren? Die gute Nachricht: Viele Elemente funktionieren in Deutschland, Österreich und der Schweiz sogar besonders gut.

Erstens: Tischservice statt Gedränge.

Während der klassische Mailänder Aperitivo oft an der Bar stattfindet, erwarten viele Gäste im DACH-Raum Service am Platz. Das lässt sich nutzen: Ein Aperitivo-Angebot, das direkt serviert wird, wirkt hochwertig – und ermöglicht gezieltes Upselling.

Zweitens: Klare Angebotsstruktur.

Beispielsweise ein „Aperitivo-Brettl“: Ein Drink nach Wahl plus drei kleine Häppchen zum Fixpreis. Nicht zu viel, nicht zu wenig, und kalkulatorisch sicher.

Drittens: Passende Kommunikation.

Stellen Sie das Konzept selbstbewusst vor – etwa als „After-Work-Aperitivo“. Die Inspiration aus Italien darf ruhig mitschwingen, aber das Angebot muss lokal funktionieren. Ein Beispiel aus Venedig zeigt, wie variabel das sein kann: Dort servieren die traditionellen Bacari kleine Häppchen – Cicchetti – einzeln gegen Bezahlung, dazu ein Glas einfacher Wein (Ombra). Günstig, unkompliziert, sehr charmant. Diese Logik eignet sich ideal, um im DACH-Raum einen Einstieg zu finden: kleine, einzeln bepreiste Happen, die zum Probieren animieren.

Viertens: Keine falschen Erwartungen wecken.

Apericena ist kein „All you can eat“-Buffet für Schnäppchenjäger. Qualität und Atmosphäre stehen im Vordergrund. Das sollte auch in der Preisgestaltung und im Wording klar kommuniziert werden.

Ein Gast bringt es schön auf den Punkt: „Nach der Arbeit direkt ein schweres Essen ist oft zu viel. Ein Spritz und ein paar Oliven sind der perfekte Übergang.“ Genau dieses Gefühl verkauft sich hervorragend – und sorgt dafür, dass die Gäste bleiben.

Fazit / Ausblick

Der Aperitivo bietet eine elegante Lösung für ein altes Gastronomieproblem: leere Tische am frühen Abend. Mit niedrigen Food-Costs, margenstarken Drinks und einem emotionalen Erlebnis lässt sich die „tote Zeit“ zwischen 17 und 19:30 Uhr unkompliziert beleben. Gleichzeitig steigert das Konzept die Verweildauer und führt viele Gäste direkt ins Dinner-Geschäft.

In den kommenden Monaten dürfte die Nachfrage nach leichten, alkoholfreien Drinks weiter steigen – ein zusätzlicher Baustein für einen profitablen Start in den Abend. Wer jetzt ein kleines, gut kalkuliertes Aperitivo-Angebot einführt, stärkt nicht nur die Auslastung, sondern positioniert sich als moderner Gastgeber mit Blick über den Tellerrand.

Kurz-Check für Ihren Betrieb

Wenn Sie jetzt ein kleines Aperitivo-Setup testen, sind Sie Ihrer Konkurrenz im nächsten Sommer zwei Schritte voraus – mindestens.

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