1. Das olympische Feuer in Stuttgart
Stellen Sie sich vor, Sie betreten die Messehallen der Intergastra und hören bereits nach wenigen Schritten das rhythmische Klirren von Messer auf Schneidebrett. Ein paar Meter weiter dampfen riesige Sous-vide-Becken, Kamerateams schieben sich durch die Gänge, und am Ende der Halle jubelt ein Dutzend Fans einer Mannschaft mit Flaggen aus aller Welt zu. Genau diese Mischung aus Fachmesse und Sportevent macht die IKA so einzigartig.
Seit fast 125 Jahren gilt die Olympiade der Köche als traditionsreichster internationaler Kochwettbewerb – und als Leistungsshow, die Trends setzt, bevor sie in der gehobenen Gastronomie sichtbar werden. Die Ausgabe 2024, wie gewohnt in Stuttgart und parallel zur Intergastra organisiert, zeigte eindrucksvoll, wie modern diese Tradition mittlerweile ist. Nachhaltigkeit, technische Präzision und globaler Austausch prägten die Tage, an denen 17 Wettbewerbsküchen parallel liefen und die Teams knapp 7.000 Menüs produzierten. Laut offizieller IKA-Seite (olympiade-der-koeche.com) war das Teilnehmerfeld so international und divers wie nie zuvor.
Für viele aus der Branche waren es echte Gänsehautmomente: Begegnungen zwischen Altmeistern und Nachwuchstalenten, Teams, die jahrelang trainiert hatten, und ein Publikum, das lautstark jeden gelungenen Teller feierte. Und mittendrin die vielleicht wichtigste Erkenntnis: Die IKA ist nicht nur ein Wettkampf, sondern ein Ort, an dem sich die „weiße Zunft“ selbst neu erfindet.
2. And the winner is…
Wer auf die Gesamtwertung der Nationalmannschaften schaute, sah 2024 vor allem eines: Finnland on fire. Die Finnen sicherten sich Gold bei den Nationalteams – und legten in der Kategorie Community Catering direkt nach. Dass ausgerechnet die Gemeinschaftsverpflegung so viel Aufmerksamkeit bekam, hat Gründe: Sie zeigt, wie professionell heute Betriebsrestaurants, Klinikküchen oder Schulverpflegungen aufgestellt sind. Wenn ein Land hier gewinnt, sagt das viel über dessen kulinarische Breite aus.
Schweden wiederum dominierte bei den Jugendnationalmannschaften. Für viele ein Fingerzeig, wie stark die Nachwuchsarbeit im Norden inzwischen verankert ist. Ein junger Wettbewerbskoch aus Skandinavien verbringt oft mehrere Jahre im Teamtraining – mit Disziplin, Technikschulung und messerscharfer Präzision. Der Wettbewerb ist dort längst Teil der Küchenkarriere.
Was man 2024 ebenfalls merkte: Das Niveau steigt von Jahr zu Jahr. Viele Teams präsentierten Menüs, bei denen man die unzähligen Übungsstunden förmlich schmecken konnte. Für Gastronomen hierzulande ist das ein Benchmark – aber auch eine Einladung, sich von Ideen anderer Nationen inspirieren zu lassen.
3. DACH-Fokus: Heimische Helden
Auch im deutschsprachigen Raum hat die IKA ihre Spuren hinterlassen. Besonders im Rampenlicht stand 2024 die Österreicherin Ulrike Tiefenbacher, Gletscherkonditorin vom Kitzsteinhorn. Sie holte Silber in der Kategorie Pastry Artistic – mit einer Seilbahnstütze aus Schokolade, die nicht nur ein technisches Meisterstück war, sondern auch perfektes Storytelling. Ihr Bezug zur alpinen Heimat wurde zur Bühne für feinste Pâtisserie. In einem Interview auf seilbahn.net beschrieb sie die Teilnahme als „besonderes Erlebnis“, das ihr die Möglichkeit gab, sich mit den weltbesten Pâtissiers zu messen.
Aus Deutschland waren zahlreiche Regionalteams und Einzelaussteller vertreten. Auch wenn nicht alle im Rampenlicht standen, zeigten die gezeigten Leistungen, wie viel Potenzial in ländlichen Regionen steckt – sei es ein kleines Talrestaurant, ein familiengeführtes Hotel oder eine Skihütte, deren Team sich plötzlich auf Weltklasseniveau wiederfindet.
Für die Branche ist das motivierend: Man muss nicht in einer Metropole arbeiten, um den Sprung zur IKA zu schaffen. Talent, Disziplin und ein gutes Konzept reichen oft aus, um international mitzuhalten.
4. Trends auf dem Teller
Wer durch die Wettbewerbsküchen ging, dem fiel schnell auf: Das Zeitalter der überladenen Proteinteller ist vorbei. 2024 war das Jahr, in dem Gemüse ins Zentrum rückte – nicht nur als Beilage, sondern als Hauptakteur. Pflanzliche Küche war ein klarer Trend. Viele Teams interpretierten Klassiker neu oder setzten auf regionale Sorten, die modern zubereitet wurden.
Nachhaltigkeit spielte gleich zweimal eine Rolle. Erstens bei der Produktauswahl: Regionalität galt als Qualitätsmerkmal, auch wenn Teams aus Übersee naturgemäß begrenzt waren. Zweitens bei der Bewertung selbst: Waste Reduction wurde von der Jury überprüft. Wer zu viel wegwarf, riskierte wertvolle Punkte.
Optisch ging es filigran zu – aber nicht um jeden Preis. „Form follows function“ war die inoffizielle Devise. Teller, die zwar beeindruckend aussahen, aber geschmacklich nicht überzeugten, hatten es schwer. Sous-vide-Garen, Fermentation oder moderne Reduktionstechniken wurden gezielt eingesetzt. Gleichzeitig sah man eine Rückkehr zu klassischen Handgriffen. Ein handgezogener Fond oder eine sauber gearbeitete Terrine beeindruckte die Jury oft mehr als technische Spielereien.
Für Gastronomen bedeutet das: Trends wie Plant-based, Zero Waste und hybride Techniken sind nicht mehr nur Marketingbegriffe. Sie sind Standard einer modernen Küche – egal ob A-la-carte oder Bankett. Wer hier mitzieht, zeigt nicht nur Kulinarik auf Höhe der Zeit, sondern spart im Idealfall Ressourcen und Kosten.
5. Learning: Der Blick der Jury
Ein Blick hinter die Kulissen lohnt sich – vor allem, wenn er von jemandem stammt, der Gerichte nicht nur bewundert, sondern bewertet. Juror Thorben Grübnau aus Bad Zwischenahn erzählte im Gespräch mit NWZ Online, dass er sich auf der IKA „um die Welt esse“ und dabei unzählige großartige Teller probiere. Gleichzeitig machte er klar, wie anspruchsvoll die Juryarbeit ist: „Das sind wunderschöne Arbeiten. Aber das macht es uns Juroren auch unheimlich schwer.“
Was entscheidet letztlich über Gold oder Silber? Laut Grübnau sind es drei Dinge:
- Stimmigkeit: Passt das Menü zum Konzept? Erzählt es eine Linie?
- Technik: Arbeitstechniken müssen sauber sein – von Mise-en-place bis zum Anrichten am Pass.
- Details: Kleinste Unterschiede machen den Unterschied. Ein minimal übergartes Gemüse? Punktabzug. Eine Sauce, die nicht deglaciert wurde? Ebenfalls.
Damit stehen die Kriterien erstaunlich nah an dem, was auch im Restaurant zählt. Gäste merken, wenn ein Konzept nicht stimmig ist oder wenn Teller uneinheitlich wirken. Die IKA zeigt, wie entscheidend Konsistenz ist – und dass sich Qualität nicht auf einzelne Gerichte beschränkt, sondern auf jeden Service und jede Komponente.
Fazit & Ausblick
Die IKA 2024 hat eindrucksvoll gezeigt, wohin die Reise der Gastronomie geht: mehr Nachhaltigkeit, mehr Präzision, mehr Fokus auf Gemüse. Gleichzeitig stellten die Teams unter Beweis, dass Tradition und Moderne wunderbar harmonieren können – wenn man sie mit handwerklicher Sorgfalt verbindet.
Für Restaurants und Hotels bedeutet das: Wer die Trends von Stuttgart ernst nimmt, kann davon langfristig profitieren. Wettbewerbe wie die IKA sind nicht nur ein Schaulaufen, sondern ein Innovationsmotor. Sie inspirieren den Nachwuchs, vernetzen die Szene und setzen Standards, die am Ende auch im Tagesgeschäft spürbar werden.
Bis zur nächsten IKA 2028 bleibt Zeit, eigene Signature Dishes zu entwickeln, Techniken zu verfeinern und vielleicht sogar selbst ein Team zu formen. Und wer jetzt beginnt, an Nachhaltigkeit und Präzision zu arbeiten, ist der Konkurrenz schon einen Schritt voraus.
Kurz-Check für Ihren Betrieb
- Konzept prüfen: Erzählen Ihre Speisen eine stimmige kulinarische Geschichte?
- Zero Waste: Gibt es Potenziale zur Abfallreduktion – etwa bei Mise-en-place oder Menüplanung?
- Techniken: Wo lohnt es sich, Fermentation, Sous-vide oder klassische Fonds auszubauen?
Optionaler Hinweis für die Redaktion: Bildideen gemäß Research-Dokument verfügbar.