1. Mehr als nur ein Vorsatz
Stellen Sie sich vor, es ist der erste Januar, die guten Vorsätze sind noch frisch – und plötzlich interessiert sich die halbe Stadt für Hafermilch, vegane Bowls und plant-based Burger. Genau das passiert jeden Winter aufs Neue. Der Veganuary, eine Aktion aus Großbritannien, hat sich längst global etabliert und erreicht inzwischen eine beeindruckende Dimension: Für 2025 wird geschätzt, dass rund 25,8 Millionen Menschen weltweit eine vegane Ernährung ausprobierten. Das sind keine Anmeldezahlen, sondern Hochrechnungen aus Umfragen – doch sie zeigen, wie tief der Trend mittlerweile in die Alltagskultur eingesickert ist.
Dass der Aktionsmonat derart sichtbar wurde, liegt nicht zuletzt an prominenter Unterstützung. Namen wie Atze Schröder oder Hannes Jaenicke machen das Thema massentauglich – und nehmen ihm gleichzeitig den Beigeschmack einer dogmatischen Ernährungsbewegung. Heute geht es weniger um Missionierung als um Neugier und kulinarisches Entdecken.
Für die Gastronomie ist das ein Glücksfall: Während viele Betriebe traditionell mit schwachen Januarumsätzen kämpfen, strömen plötzlich Gäste ins Restaurant, die „einfach mal etwas Neues probieren“ wollen. Und genau hier liegt das Potenzial.
2. Der Wirtschaftsfaktor: Zahlen, die überzeugen
Wer sich fragt, ob der Veganuary wirklich einen nennenswerten Effekt hat, bekommt die Antwort sehr klar aus der Statistik. Nach Daten des Statistischen Bundesamts fiel der Fleischabsatz im deutschen Lebensmitteleinzelhandel im Januar 2024 um 12,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresschnitt. Das ist kein kleiner Ausschlag, sondern ein deutlicher struktureller Trend.
Gleichzeitig steigen die Umsätze für pflanzliche Alternativen. Marken wie Billie Green legten Anfang 2025 um mehr als neun Prozent zu – ein Indiz dafür, dass die Nachfrage nicht nur in Haushalten, sondern auch in Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung wächst. Die Albert Schweitzer Stiftung bestätigt in ihrer Analyse des Veganuary 2025 den wachsenden wirtschaftlichen Einfluss der Kampagne. Mehr als 1.000 Unternehmen allein in Deutschland waren zuletzt beteiligt, darunter Restaurants, Ketten, Caterer und Handelsunternehmen.
Warum ist das für die Gastronomie besonders relevant?
- Erstens: Der Januar ist traditionell einer der umsatzschwächsten Monate des Jahres.
- Zweitens: Die Zielgruppe wächst. Nicht Veganer sind die Haupttreiber, sondern Flexitarier – Menschen, die ihren Fleischkonsum reduzieren wollen, ohne vollständig zu verzichten.
- Drittens: In Gruppen hat inzwischen oft die Person mit veganen oder vegetarischen Vorlieben das „Veto-Recht“. Gibt es keine geeigneten Optionen, wird ein anderes Restaurant gewählt.
Das bestätigt auch Christopher Hollmann, Leiter von Veganuary Deutschland, in der offiziellen Bilanz: „Was als monatliche Challenge begann, entwickelt sich zunehmend zu einem Wirtschaftsfaktor, der Handel und Lebensmittelindustrie vor neue Herausforderungen stellt.“ Und weiter: „Wir müssen die Menschen in allen Bereichen ihres Alltags erreichen – und das ist uns in diesem Veganuary mithilfe vieler engagierter Unterstützer:innen und Unternehmen überragend gelungen.“
Für Gastronomen bedeutet das: Wer im Januar kein plant-based Angebot hat, verliert potenzielle Gäste – und zwar nicht nur für diesen einen Monat.
3. Best Cases: Wer macht es vor?
Besonders sichtbar wird der Veganuary in der Systemgastronomie. Viele große Marken starten jedes Jahr Kampagnen, die zeigen, wie kreativ und erfolgreich man den Trend nutzen kann.
Burger King etwa brachte den „King Rib“ als rein pflanzliche Variante auf den Markt – ein Beispiel dafür, wie bekannte Klassiker als veganer „Doppelgänger“ neu aufgelegt werden können. Backwerk wiederum hat Hafermilch bundesweit als Standardoption eingeführt und zeigt damit, wie niedrigschwellig man plant-based Angebote in den Alltag integrieren kann. Und Pizza-Ketten wie L’Osteria oder Domino’s nutzen den Monat häufig für spezielle Pizza-Deals mit veganem Käse oder neuen pflanzlichen Belägen.
Auch in der Gemeinschaftsverpflegung tut sich viel. Große Caterer wie Aramark oder Dussmann nutzen den Veganuary gezielt, um mehrere tausend Gäste täglich mit pflanzenbasierten Gerichten zu erreichen. Die Kombination aus hoher Sichtbarkeit und Massenskala macht die GV zu einem echten Treiber des Trends.
Aber was bedeutet das für die Individualgastronomie?
Hier liegt der Reiz gerade in der kreativen Freiheit. Viele Restaurants setzen im Veganuary auf spezielle Monatsmenüs oder einzelne Signature-Dishes. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein oft zitierter Gastronom erklärt, dass sein Januar früher ein „toter Monat“ war – bis er eine eigene Veganuary-Karte einführte. Seitdem kommen neue Gäste, probieren Neues aus und bleiben teilweise auch später im Jahr treu.
Was die großen Ketten vormachen, lässt sich in kleinerem Rahmen adaptieren:
- Ein veganes 3-Gänge-Menü ausschließlich für den Januar.
- Eine pflanzliche Variante eines beliebten Signature-Gerichts.
- Ein wöchentlich wechselndes Veganuary-Special, das zum Wiederkommen animiert.
Die Erfolgsformel ist simpel: Sichtbarkeit, Kreativität und Verlässlichkeit.
4. Umsetzung in der Praxis: Tipps für die Karte
Ein veganes Gericht bedeutet heute viel mehr als eine Gemüsepfanne ohne Fleisch. Gäste erwarten Aroma, Textur und einen gewissen „Wow“-Faktor. Die gute Nachricht: Viele Elemente der modernen Küche – Fermentation, Röstaromen, Nusscremes, Pilz-Umami – passen ideal zur pflanzlichen Linie.
Was sollten Sie bei der Gestaltung Ihrer Veganuary-Karte beachten?
1. Kreativität statt Weglassen
Ein Gericht wird nicht vegan, indem man einfach das Tierische streicht. Entscheidend ist die Komposition. Cremigkeit entsteht durch Hafer- oder Cashew-Alternativen, kräftige Aromen durch Räuchertofu, Pilze oder Gewürzöle.
2. Clevere Platzierung auf der Karte
Vegane Gerichte sollten nicht unter „Sonstiges“ stehen. Eine attraktive Präsentation mit modernem Wording – etwa „Plant-based Bowl mit Sesam-Ingwer-Dressing“ – wirkt deutlich einladender.
3. Upskilling im Service
Das Team sollte klar unterscheiden können: Wo ist Honig drin? Welche Weine sind vegan geklärt? Welche Allergene betrifft das? Ein gut informierter Service nimmt Gästen Unsicherheit und wirkt professionell.
4. Marketing nutzen
Veganuary bietet offizielles Informationsmaterial und Logos, die teilnehmende Betriebe verwenden dürfen. Ein Hinweis auf der Speisekarte, ein Social Media-Post oder ein Aufsteller vor der Tür reichen oft aus, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Gute Einstiegsquellen sind etwa die Bilanz auf veganuary.com oder die kompakte Verbraucherübersicht von ÖKO-TEST.
5. Preisgestaltung fair halten
Vegane Gerichte sollten nicht teurer sein als Fleischgerichte. Niedrige Einstiegshürden erleichtern es Gästen, Neues auszuprobieren – und erhöhen die Chance, dass erfolgreiche Gerichte später auf der regulären Karte bleiben.
Fazit & Ausblick
Der Veganuary ist längst kein kurzlebiger Hype mehr, sondern ein wirtschaftlich spürbares Ereignis. Millionen Menschen probieren im Januar eine pflanzenbasierte Ernährung aus – und viele von ihnen suchen bewusst Restaurants auf, die entsprechende Angebote haben. Für Betriebe ist der Trend ein idealer Testballon: Welche Gerichte kommen an? Welche Zielgruppen erreiche ich neu? Und welche Produkte könnten dauerhaft auf die Karte wandern?
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Gute vegane Optionen stärken nicht nur das Image, sondern erhöhen auch die Auslastung in einem traditionell schwierigen Monat. Gleichzeitig steigen die Erwartungen der Gäste – wer moderne Gastronomie sein möchte, kommt um ein überzeugendes plant-based Angebot kaum noch herum.
Wenn Sie jetzt beginnen, Ihre Januar-Karte zu planen und ein bis zwei kreative Gerichte auszuprobieren, sind Sie Ihrer Konkurrenz schon einen Schritt voraus. Und vielleicht bleiben einige Ihrer Veganuary-Bestseller noch weit länger auf der Karte als nur für diesen einen Monat.
Kurz-Check für Ihren Betrieb
- Steht mindestens ein vollwertiges, kreatives veganes Gericht dauerhaft auf Ihrer Karte?
- Haben Sie für den Januar ein Special oder ein Menü geplant?
- Ist Ihr Team sicher beim Thema „Was ist wirklich vegan?“
- Wird Ihr Veganuary-Angebot sichtbar kommuniziert – online und im Restaurant?
(Ende des Artikels)