Dienstag, 23. Dezember 2025 GastroNews – Magazin für Profis
Management & Recht

Vom Büro an die Bar: Wie Quereinsteiger den Fachkräftemangel lindern

Fast 480.000 fehlende Mitarbeiter – die Gastronomie kämpft weiter mit einem massiven Personalmangel. Gleichzeitig entdecken immer mehr Menschen aus völlig anderen Branchen die Gastronomie als neue berufliche Heimat. Warum das eine riesige Chance für Ihren Betrieb ist – und wie Sie Quereinsteiger erfolgreich gewinnen, einarbeiten und entwickeln.

1. Mut zur Lücke (im Lebenslauf)

Stellen Sie sich vor, jemand steht in Ihrem Restaurant, freundlich, offen, motiviert – aber ohne klassische Gastro-Erfahrung. Noch vor ein paar Jahren hätten viele Betriebe abgewunken. Heute ist klar: Diese Bewerber könnten Ihr wichtigstes Kapital sein. Denn laut DEHOGA fehlten im Juni 2024 rund 476.730 Mitarbeiter im Gastgewerbe. Ein Wert, der kaum Spielraum lässt für die Erwartung „am besten mit Ausbildung und fünf Jahren Erfahrung“.

Die gute Nachricht: Die Branche hat niedrige Einstiegshürden – und sie ist bekannt dafür, Menschen Chancen zu geben. Das Fraunhofer IAO spricht sogar von der Gastronomie als „Integrationsmotor“, weil kaum eine andere Branche Menschen so schnell und unkompliziert ins Arbeitsleben einbindet.

Und Quereinsteiger bringen oft genau das mit, was im Alltag zählt: Servicehaltung, Lebensfreude, Belastbarkeit. Ein Branchenexperte formuliert es so: „In der Gastronomie zählt Leidenschaft oft mehr als das Zeugnis. Ein guter Gastgeber muss Menschen mögen – das lernt man in keiner Berufsschule.“ Genau deshalb wird der Blick auf Bewerber mit ungewöhnlichen Lebensläufen für viele Betriebe immer wichtiger.

2. Profiling: Wen suchen wir eigentlich?

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass Ihr nächster Top-Kellner aktuell noch im Call-Center sitzt? Oder Ihre beste zukünftige Barkraft heute noch im Einzelhandel arbeitet? Beim Thema Quereinstieg gilt der Leitsatz „Hire for Attitude, Train for Skill“. Denn Tellertragen, Getränkekunde oder Kassenführung lassen sich vermitteln – Empathie, Stressresistenz und ein guter Umgang mit Gästen sind dagegen persönlicher geprägte Kompetenzen.

Besonders geeignet für einen Wechsel in die Gastronomie sind Menschen aus Berufen, in denen sie bereits viel Kundenkontakt hatten. Ein paar Beispiele:

Dazu kommen die sogenannten „transferable skills“: Organisationstalent, Multitasking, gewachsene Stressruhe, Verantwortungsgefühl. Viele Quereinsteiger entscheiden sich bewusst für die Gastronomie, weil sie etwas Neues lernen oder näher am Menschen arbeiten wollen – Motivation, die Sie im täglichen Geschäft deutlich spüren.

Eine Quereinsteigerin bringt es auf den Punkt: „Im Büro habe ich auf die Uhr geschaut, wann Feierabend ist. Im Service vergeht die Zeit wie im Flug, weil ich direktes Feedback von den Gästen bekomme.“

3. Recruiting & Förderung: Geld vom Staat

Wer Quereinsteiger sucht, muss nicht weit gehen – die Agentur für Arbeit ist ein oft unterschätzter Partner. Der Arbeitgeber-Service reagiert in der Regel innerhalb von 48 Stunden und unterstützt sowohl bei der Personalsuche als auch bei finanziellen Förderungen. Besonders interessant ist das Teilhabechancengesetz: Für die Einstellung von Langzeitarbeitslosen sind Lohnkostenzuschüsse von bis zu 100 Prozent möglich – für bis zu fünf Jahre, degressiv gestaffelt. Zusätzlich begleiten Coaches die neuen Mitarbeitenden während der Einarbeitung.

Eine Empfehlung aus der Praxis: Klären Sie Fördermöglichkeiten unbedingt vor der Einstellung, denn viele Zuschüsse sind Ermessensleistungen. Die DEHOGA NRW weist regelmäßig darauf hin, dass viele Gastronomen diese Unterstützung gar nicht kennen.

Damit Quereinsteiger überhaupt auf Ihre Stelle aufmerksam werden, braucht es attraktive Angebote. Menschen im beruflichen Wandel achten besonders auf folgende Punkte:

Und genauso wichtig: Schreiben Sie explizit „Quereinsteiger willkommen“ in Ihre Stellenausschreibung. Wer keine abgeschlossene Berufsausbildung verlangt, sollte das auch deutlich formulieren. Gute Vorlagen und weitere Infos finden Sie beispielsweise im Leitfaden von GVO Personal.

4. Onboarding: Vom „Learning by Doing“ zum System

Der klassische erste Arbeitstag in der Gastronomie sah lange so aus: mitlaufen, beobachten, irgendwie reinfinden. Für Quereinsteiger ist das oft überfordernd. Sie brauchen ein strukturiertes Onboarding, das Sicherheit schafft und Schritt für Schritt an Aufgaben heranführt.

Ein bewährtes Modell ist das Paten-System: Ein erfahrener Kollege begleitet die neue Kraft in den ersten Wochen, erklärt Abläufe, steht für Fragen bereit und gibt ehrliches Feedback. Gleichzeitig sorgt eine klare Einarbeitungscheckliste dafür, dass niemand wichtige Grundlagen vergisst.

Ganz am Anfang steht die verpflichtende Hygienebelehrung nach § 43 Infektionsschutzgesetz. Sie kostet meist 20–30 Euro und bildet die Basis für jede weitere Schulung. Danach kann der Betrieb mit internen Trainings anknüpfen – etwa zu Kaffeespezialitäten, Wein oder Kassenführung.

Externe Kurse, etwa zu HACCP oder Barista-Grundlagen, eignen sich gut als wertschätzendes Incentive. Viele Betriebe berichten, dass Quereinsteiger dadurch besonders schnell Selbstvertrauen entwickeln. Entscheidend ist eine offene Fehlerkultur: Geduld, Feedbackschleifen, regelmäßige kurze Trainings.

Ein Küchenchef fasst seine Erfahrung so zusammen: „Mein bester Postenchef war früher Versicherungsvertreter. Er ist organisiert, ruhig im Stress und pünktlich. Das Kochen habe ich ihm beigebracht.“

5. Karrierewege & Erfolgsgeschichten

Die Gastronomie gehört zu den durchlässigsten Branchen überhaupt. Wer zeigt, dass er zuverlässig ist, kann schnell Verantwortung übernehmen. Viele Menschen starten als Aushilfe, werden dann Schichtleiter und übernehmen später die stellvertretende oder vollständige Betriebsleitung. Solche Wege sind real und in vielen Betrieben gelebte Praxis.

In der Küche sieht es ähnlich aus: Auch ohne klassische Lehre ist der Weg zum Koch möglich – er dauert länger und verlangt klare Rückendeckung durch den Betrieb, aber die Branche kennt zahlreiche Beispiele. Manche Starköche haben erst spät den Weg in die Profiküche gefunden – oft als Autodidakten mit enormer Leidenschaft.

Sobald ein Quereinsteiger sich bewährt, kann sogar eine geförderte Umschulung über Bildungsgutscheine infrage kommen. Eine zweijährige Umschulung zum Koch oder zur Fachkraft im Gastgewerbe ist dann realistisch – und für viele eine echte Perspektive.

Der größte Vorteil: Menschen, die bewusst umsteigen, bleiben oft lange. Sie empfinden ihren neuen Beruf als persönliche Entwicklung – und das spüren auch Gäste.

Fazit / Ausblick

Quereinsteiger sind in der Gastronomie längst mehr als eine Notlösung. Wer Persönlichkeit vor Zeugnisse stellt, strukturiert einarbeitet und Fördermöglichkeiten nutzt, gewinnt motivierte Mitarbeiter, die frische Perspektiven in den Betrieb bringen. In einer Branche mit fast 480.000 fehlenden Fachkräften ist das keine Randnotiz, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor.

In den kommenden Jahren dürfte das Potenzial weiter steigen: Arbeitsmarktförderungen werden ausgebaut, und immer mehr Menschen suchen aus eigenem Antrieb nach neuen Wegen. Wenn Sie jetzt Strukturen schaffen, die Quereinsteiger willkommen heißen, sichern Sie sich einen entscheidenden Vorteil.

Kurz-Check für Ihren Betrieb

Wer diese Punkte beherzigt, kann schon bald erleben, wie jemand aus dem Büro, der Werkstatt oder dem Verkauf den eigenen Betrieb bereichert – und vielleicht zur nächsten Führungskraft heranwächst.

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